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Teekenner Service

Härtere Zeiten für den Bio-Tee Einkauf in China: Pestizide auf dem Vormarsch!

8. Juli 2019
Oolong-Teegärten im Wuyi Shan
Das Wuyi Shan Gebirge - kleine Teegärten eingerahmt in spekatulärer Gebirgslandschaft.

Zu Fuß quer durch das wunderschöne Wuyi Shan Gebirge

Wir hüpfen von Stein zu Stein durch die wilde Felsenlandschaft des Wuyi Shan Gebirges – unser Weg folgt einer schmalen Schlucht entlang der Oolong-Teegärten. Links und rechts steigen die Sandsteinfelsen empor. Uns stehen die Schweißperlen auf der Stirn, die Sonne steht senkrecht und wir sind bereits seit 5 Stunden unterwegs – wir durchqueren das Wuyi Shan Gebirge zu Fuß, behangen mit schwerer Kameraausrüstung.

Der hier angebaute Tee wird ausschließlich für Oolong-Tees verwendet, es ist der berühmte Yancha Felsentee aus dem Wuyi-Gebirge. Dank des exzellenten Marketings und der zunehmenden Kauffreude vieler Chinesen werden die Yancha-Tees gerne mal für 100 € die 100g Tee gehandelt. Die Sorten Da Hong Pao und Rou Gui sind die bekanntesten und zählen wohl auch zu den teuersten und besten Oolong Tees in ganz China und darüber hinaus.

Es ist Mitte April und die Teepflanzen sind bereits stark ausgetrieben. Oolong-Tees werden grundsätzlich später als Grüntees geerntet, da für die Verarbeitung etwas größere Teeblätter bevorzugt werden. Bis zur Ernte sind es jetzt noch ca. zwei Wochen und im Vorbeilaufen kosten wir immer mal wieder einen frischen Trieb und schmecken das fruchtig-herrlich Komplexe Aroma der Teeblätter.
 

Pestizide im Teegarten
Unerwartet: Pestizide inmitten der wilden Gebirgslandschaft.

Verpestete Landschaften inmitten der Wuyi-Shan Idylle?

Geschockt bleiben wir stehen: Vor uns steht ein Mann im Teegarten mit einem Applikator auf dem Rücken und Spritzgerät in der Hand, der es kräftig auf die Teepflanzen niederprasseln lässt. Freundlich begrüßt er uns, einen Mundschutz trägt er nicht. Unsere leise Hoffnung es könne sich vielleicht um ein „harmloses“ natürliches Pflanzenschutzmittel handeln, bestätigt sich leider nicht. Der Mann zeigt uns die Verpackung und tatsächlich findet sich auf der Inhaltsangabe ein Cocktail an klassischen Pestiziden, die hier eingesetzt werden. Sicherlich nicht verboten, jedoch in Ihrer Wirkung auf den Menschen hochgradig zweifelhaft. Und das schlimmste: Die Teegartenbesitzer haben mit Ihrer Pestiziddusche nicht bis nach der Ernte gewartet, sondern spritzen die jungen Triebe zwei Wochen vor der Ernte. Man stelle sich vor, welch hoher Gehalt an Pestiziden in den Tees zu finden sein wird, wenn es bis zur Ernte wenig oder gar nicht mehr regnet.

Wir finden auf unserer Wanderung noch zahlreiche leere Pestizidverpackungen am Wegesrand und der Schaum im Wasser des eigentlich idyllischen Baches spricht leider Bände. Die Böden zwischen den Teepflanzen sind verbrannt – mit Gyphosat wird hier regelmäßig das Unkraut entfernt. Das ist einfacher und weniger beschwerlich als in Handarbeit. Zwischen einigen Teebüschen sieht man spärliche Grashalme nachwachsen, an anderen Stellen dagegen nur tote Erde.

Das Wuyi Shan Gebirge ist ein wunderschöner, gewaltiger Ort. Es wurde von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt und das zweifelsohne zu Recht. Umso nachdenklicher stimmt uns der sorglose Umgang mit Pestiziden in Hülle und Fülle, wie wir ihn hier miterlebt haben.
 

Spinnennetz im Bio Teegarten
Gern gesehener Bewohner: Eine Spinne in ihrem Netz zwischen den Bio-Teebüschen.

Alles nur ein Einzelfall?

Einen Tag später sind wir mit einem der größten Teeproduzenten in der Wuyi Shan Region verabredet. Die Firma ist der größte und erfolgreichste Produzent der teuren Yancha-Oolong-Tees. Wir berichten sehr ausführlich und offen über unsere Erlebnisse. Wir lassen uns die Teegärten des Produzenten auf der Karte zeigen und man erklärt uns, es würde sich ganz sicher nicht um Ihre Teegärten handeln. Außerdem könne man Ihre Mitarbeiter stets an der roten Arbeitskleidung erkennen. Klar ist allerdings auch, dass die Firma den überwiegenden Teil Ihrer Tees in konventioneller Anbauweise produziert, also mit Pflanzenschutzmitteln. Jedoch mit mehr Sorgfalt und in kleineren Mengen, wie man uns zumindest versichert.

Wir besuchen anschließend die Bio-Felder der Firma und sind zumindest etwas beruhigter als wir zahlreiche Spinnennetze in den Feldern sichten, herumlaufende Hühner sehen und einen kräftigen Bodenwuchs zwischen den Teebüschen vorfinden. Das alles ist noch keine Garantie, doch zumindest haben wir vorerst Hoffnung auf einen sauberen Bio-Tee. Die Laborberichte werden zeigen, ob unser Eindruck richtig war.
 

Pestizide sind an der Tagesordnung in Chinas Teegärten.
Chinas Teebauern greifen immer öfter zu Pestiziden - die gestiegenen Lohnkosten und fehlende Aufklärung über die Risiken begünstigen diese Entwicklung.

Pestizide sind an der Tagesordnung in Chinas Teegärten.

So wie im Wuyi-Gebirge werden vielerorts Chinas große Menge Pflanzenschutzmittel im Tee-Anbau eingesetzt. Leider scheint sogar der Bio-Trend im Tee-Anbau rückläufig zu sein. Einige Teebauern, die uns noch vor Jahren gesagt haben, sie wollen komplett auf Pestizide verzichten, gestehen uns heute, dass sie zu Pestiziden greifen. Die gestiegenen Lohnkosten machen es den Teebauern immer schwerer profitabel zu sein. Hinzu kommt, dass der chinesische Markt wenig Nachfrage und Interesse an sauberen Tees zeigt. Zwar gibt es die ersten Bio-Supermärkte in Shanghai und diverse chinesische Bio-Siegel. Die Nachfrage nach hochwertigen, konventionellen Teesorten ist in China schlichtweg sehr hoch und es gibt mehr als genug Kunden, die von Bio-Anbau bzw. den gesundheitlichen Risiken von Pestiziden wenig Ahnung haben.
 

Je kleiner und wilder der Teegarten, desto besser der Tee.

Das paradoxe an dieser Entwicklung ist, dass der beste Tee eigentlich dann entsteht, wenn die Teebüsche möglichst vereinzelt und vermischt zwischen anderen Pflanzen wachsen, also in einer Mischkultur. Außerdem können auch angeknabberte Teeblätter ein Qualitätsmerkmal für guten Oolong-Tee sein, wie zum Beispiel beim Oriental Beauty Oolong Tee in Taiwan. „Je kleiner und wilder der Teegarten, desto besser das Blattmaterial“ ist im Laufe der Jahre schon fast zu unserem Slogan bei der Jagd nach neuen Teebauern geworden.
 

Zertifizierte Bio-Tee-Plantage als Monokultur
Zertifizierte Bio-Teeplantage im Yunnan: Hier zählt Quantität vor Qualität.

Wo findet man also noch sauberen Tee in China?

Zertifizierten Bio-Tee findet man fast nur noch auf einigen wenigen größeren Teeplantagen in der Mitte und im Süden Chinas auf denen speziell für den ausländischen Markt produziert wird. Leider bewahrheitet sich hier, dass unser Slogan auch im Umkehrschluss wahr ist: „Je größer die Plantage, desto schlechter der Tee.“ Außerdem gibt es auch hier Risiken bei der Bio-Ware, nicht selten rutscht da mal eine defacto Nicht-Bio Charge zwischenrein. Am falschen Willen der Plantagenbesitzer liegt das nicht. Vielmehr an den weniger aufgeklärten und nach Kilo-bezahlten Plantagenbauern, die sich meist um die Pflege der einzelnen Plantagen-Parzellen kümmern und in Ihrer Unwissenheit gelegentlich mal zu Pflanzenschutzmitteln greifen. So zumindest erklären wir uns die Belastungen, wie wir mal mehr, mal weniger in den Bio-zertifizierten Plantagentees gefunden haben.
 

Teebauer bei der Ernte im Teebaum in Yunnan
Teebauer Kong Shifu am Ailao Berg im Yunnan: Seine über 100 Jahre alten Teebäume bescheren ihm jedes Jahr beste Blattqualitäten - Pestizide zu verwenden käme ihm nicht in den Sinn.

Also auf in Chinas Hinterland!

Zum Glück gibt es da noch das Hinterland, in den tiefen Yunnans, aber auch in den Provinzen Mittelchinas gibt es teils sehr abgelegene Berglandschaften, in denen man mit etwas Glück noch Old-School Teebauern findet, die aus Prinzip, Tradition oder Naturverbundenheit gänzlich auf Pestizide verzichten.

Hier muss man aber meist Pionierarbeit leisten: Die Teebauern sind des Englischen nicht mächtig, können einem keine Handelsrechnung ausstellen, sind nicht vertraut mit Export und das Verpackungsmaterial sollte man lieber selbst mitbringen. Eine Bio-Zertifizierung gibt es hier gleich gar nicht – aber man hat zumindest die Gewissheit, dass der Tee sauber ist, sofern sich das im Labor bestätigt hat.
 

Gemüseanbau im Teegarten am Wudong Berg
Im Einklang mit der Natur: Rübenanbau unter den Dancong-Teebüschen am Wudong Berg in der Provinz Guangdong.

Geh doch dahin, wo die alten Teebäume wachsen.

Dann gibt es da noch die alten Teebäume – wie zum Beispiel in den traditionellen Pu-Erh Tee-Gebieten Yunnans oder die großen Teebüsche am Wudong-Berg in Guangdong. Ab einem gewissen Alter sind die Teebäume stabil und weitestgehend immun gegen Schädlinge. Sie stehen häufig umzingelt von anderen Pflanzen und Bäumen mitten im Wald. Am Wudong-Berg bauen die Teebauern unter den Teebäumen mancherorts Gemüse an und schaffen damit ein gesundes und ausgewogenes Öko-Klima für die Teebäume. Sie danken es Ihnen mit einer sicheren Ernte und einem Blattmaterial von höchster Qualität. Da haben wir als Tee-Einkäufer ein Problem weniger. Allerdings tun sich in diesen Gebieten andere Fallstricke auf: Je nach Verarbeitung und Lagerung können weitere Schadstoffe in den Tee gelangen, zum Beispiel durch Rauch von offenem Feuer oder durch die Tintenrückstände, die sich in Chinas Altpapier befinden. Sie können in den Tee gelangen, wenn der Tee direkt in Kartonagen aus Altpapier gelagert wird.

Wer wirklich sauberen und guten Tee in China einkaufen möchte, der kann sich mehr denn je auf eines einstellen: Harte Arbeit und zahlreiche Rückschläge. Doch wer nicht aufgibt, der wird Chinas Tee und seine Menschen in einmaliger Art und Weise kennenlernen.

Wir wünschen genussvolles Teetrinken und hoffen, dass wir unser Versprechen noch sehr lange einhalten können: Sauberer Tee in höchster Spitzenqualität – und das auch aus China!

Christian Beck